++++ 2016-11-04 ++++
V60 von Kühn-Modell- oder einmal etwas ausserhalb der Reihe
Manchmal vergehen Jahre bis angekündigte Neuheiten ausgeliefert werden. So auch bei der
(west-)deutschen V60
in TT von Kühn-Modell, die dieser Tage in ihrer ersten Variante erschien.
Ein grundsolides und schönes Modell.
Mit einem Metallgehäuse um auf die nötige Reibungsmasse zu kommen.
Immerhin tat die V60 seit den späten 1950ern im Grenzbahnhof Konstanz und damit zwangsläufig auch in der Schweiz ihren Dienst.
Somit ist formal der Schweizbezug hergestellt.......
Waren in früheren Zeiten zwei bis drei V60 (später Baureihe 260 /
265 ) den ganzen Tag über in Konstanz gut "beschäftigt", so erodierten die Tätigkeitsfelder über die Jahre und Jahrzehnte.
Längst vorbei sind die Zeiten, als Konstanz Zugbildungsbahnhof war und zahlreiche Fernzüge von der V60 noch "zusammengestellt" und wieder aufgelöst wurden.
Die Fahrziele wechselten über die Jahre, aber es waren neben
den Klassikern Offenburg und Stuttgart, Ziele wie Bayreuth, Hannover, Dortmund oder Wiesbaden die von Konstanz aus direkt per D-Zug angefahren wurden.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld war die Kurswagengestellung. So war lange Jahre ein Schlafwagen von und
nach Dortmund in die regulären Garnituren über den Schwarzwald eingereiht.
Der Gipfel der Weltläufigkeit war
bis in die 1980er-Jahre mit dem Kurswagen von und nach Paris-Est erreicht.
Geschuldet sicherlich der Tatsache, dass es in Konstanz,
Radolfzell, Immendingen, Donaueschingen, Villingen, Friedrichshafen und anderen Orten der Region jahrzehntelang stattliche französische Garnisonen gab.
Der Personenverkehr über den Schwarzwald nach Karlsruhe verwendet heute zwar immer noch lokbespannte Züge
mit Doppelstöckern,
aber dank Wendezuggarnituren mit Steuerwagen benötigt es in den Endbahnhöfen dafür schon lange keine Rangierlok mehr zur Zugbildung und zum Umsetzen.
Früher wurde
in Konstanz die stattliche Reisezugwagengarnitur, nachdem die Lok abkuppelte und ins Bw (!) verschwand,
von der V60 in die auf Schweizer Hoheitsgebiet liegende Abstellgruppe gedrückt und mangels ausreichender Länge
von selbiger noch weiter zerteilt.
Auch die Waschanlage, wo man die Wagen mit einer V60 durchzog, ist längst obsolet
geworden bzw. dem Sparstift zum Opfer gefallen.
Beim Güterverkehr sieht es noch trauriger aus. Der Stückgutverkehr an den Güterschuppen der Hafenstrasse ist schon seit den frühen 1980ern
Geschichte. Auch auf den Hafengeleisen gab es immer weniger zu tun.
Im Grenzbahnhof Konstanz gab es auch im Güterverkehr durch Zugbildung und Trennung
lange Zeit einiges für die V60 zu rangieren.
So bestand ein reger Austausch in Richtung Schweiz,
ob nun einzelne Postwagen oder Güterwagen die
meist als Einzelwagen oder Wagengruppen an die Triebwagen (!) der Mittelthurgaubahn (MThB)
angehängt wurden und von diesen die schwere Steigung hinter Kreuzlingen
über den Seerücken in das Schweizer Hinterland gefahren wurden.
Die Bedienung der Gleisanschlüsse und Grosskunden im Bereich des nahegelegenen rechtsrheinischen Güterbahnhofs Konstanz-Petershausen oblag natürlich auch den V60.
Speziell hier spiegelt sich der Strukturwandel und die fortgeschrittene Deindustrialisierung
einer Stadt wie Konstanz wieder.
Die weltbekannte Zeltfirma Strohmeyer (bekannt
durch das Dach des Olympiastadions in München) mit ihren umfangreichen
Gleisanlagen ist bereits 1973 Konkurs gegangen und damit längst Geschichte.
Die Textilfirma Herosé mit ihrem kohlebefeuerten Heizkraftwerk und zeitweise 1000 Mitarbeitern ist ebenfalls Geschichte und damit
auch die Kohle-Ganzzüge für das Heizkraftwerk die über die Hochrheinstrecke Konstanz erreichten.
Das Heizkraftwerk wurde in den frühen 1980ern stillgelegt.
Die Chemiefabrik Degussa bzw. ihr Nachfolger Great Lakes mit ihrem einst umfangreichen Werkverkehr über den Gleisanschluss schloss in den 1990ern.
Mit dem Verlegen der Druckerei des Südkuriers auf die grüne Wiese in den 1990ern samt Umstellung auf LKW-Bedienung war den Papier-Lagerhallen am Petershauser
Bahnhof der Hauptkunde entzogen.
Den Mineralöl- und Kohlenhändler am Petershauser Bahnhof erwischte es in den späten 1990ern, weil er sein Tanklager bei sinkenden Mengen (Konstanz war
seit 1979 an das überregionale Gasnetz angeschlossen) hätte sanieren müssen und den teuren innerstädtischen Grund und Boden lieber für das neu entstehende Stadtquartier versilberte bzw.
"andere Kohle" daraus machte.
Weitere Gleisanschüsse verwaisten ebenfalls, weil Firmen dicht machten, wegzogen oder wie beim Gaswerk der Stadt auf
leitungsgebundenes Erdgas umgestellt wurde.
Dem verbliebenen, gut florierenden Schrotthändler als letztem Mohikaner wurde nach 2000 mittels des Kahlschlagprogrammes MORA C dann von
der Bahn selbst gekündigt. Das war dann auch das Todesurteil für die letzte verbliebene V60 bzw.
260 / 365 in Konstanz.
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Nachtrag: 12/ 2016: die altrote
V60 von Kühn-Modell ist nun ebenfalls erhältlich.
Fast 1000 Exemplare waren zur Blütezeit der V60 in
(West-)Deutschland im Einsatz und rangierten für das
"Wirtschaftswunder".
Eine der in Konstanz stationierten V60 (260 101-1) am Gleis 2 vom einstigen Bahnübergang aus betrachtet.
Man beachte das originale Bahnsteigdach auf Gleis 1.
Im Hintergrund der charakteristische, im venezianischen Stil gebaute Bahnhofsturm.
Im Juni 1971 als diese Aufnahme entstand, reichte der Schweizer Fahrdraht bis zum Konzilgebäude, dann war Schluss.
Bild: Oliver Geissinger
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Der Güterbahnhof in Konstanz-Petershausen ist heute nicht mehr existent und mit einem neuen Stadtquartier komplett überbaut.....
Und dann gab es noch eine Konstanzer Spezialität die viel Arbeit für die V60 mit sich brachte:
Die Anbindung des Hafenareals und der seeseitig gelegenen Güterhallen für den Stückgutverkehr war auf direktem
Wege über deutsches Staatsgebiet nur über einen Bahnübergang möglich, der den Bahnhof in zwei Hälften teilte. Für eine rationelle und flüssige Betriebsabwicklung war das katastrophal.
Fast alle Güterzüge mussten bei Ankunft geteilt und vor der Abfahrt wieder zusammengeschoben werden. Viel Arbeit für die V60.
Das betrieblich hinderliche und aufwändige Teilen und Zusammenfügen der Güterzüge entfiel in den frühen 2000ern ebenfalls, indem der Bahnübergang
einfach stillgelegt wurde und eine moderne und leistungsfähige Fussgängerbrücke aufgestellt wurde.
Und die (EU-Aussen-) Grenze ist mittlerweile durchlässiger geworden, so dass der verbliebene Verkehr von und zum Hafenareal seither im Transit via
das Schweizerische Kreuzlingen fahren kann.
Ein Bild aus dem September 1971 von Oliver Geissinger mit mittlerweile historischem Charakter.
Das damals gerade fertiggestellte "Fernmeldeamt" mit dem noch leeren Antennenturm künden vom Einzug der
modernen Zeit in der damals noch etwas verschlafenen Provinzstadt Konstanz. Auch heute noch prägt dieser
Betonklotz die Stadtsilhouette in Deutschlands letztem Zipfele. Die
damalige Deutsche Bundespost bzw. ihr Nachfolger Deutsche Telekom haben
die 14 Stockwerke des heute völlig überdimensionierten Fernmeldehochhauses mittlerweile fast vollständig geräumt.
In der Ferne sieht man an diesem Spätsommertag die Wasserfontaine in der Konstanzer Bucht vor
dem Schweizerischen Bottighofen, die ein wenig Charme a la Genfersee versprüht.
Im Güterbahnhof Petershausen herrschte damals reger Betrieb. Die beiden Gs vor den Lagerhallen haben
vermutlich Papierrollen für den Südkurier geladen. Die Druckerei befand sich damals noch etwas beengt in der Innenstadt am
Fischmarkt. Dorthin wurde kontinuierlich das Papier vom Lagerhaus am Petershauser
Bahnhof angeliefert - heute würde man sagen "just in time".
Im Tanklager vom Ellegast stehen einige Kesselwagen und davor ein mit Kohle beladener Td,
auch der Kohlekran ist zu erkennen. Die schmutzige Kohle zum
Heizen war damals bereits verpönt und wer konnte, stellte um auf bequeme Zentralheizungen mit Heizöl.
Der Flüssiggastankwagen kommt vom Gleisanschluss des städtischen Gaswerks.
Damals wurde dort noch Stadtgas produziert. Und auch sonst gab es für eine V60 allerhand zu tun, wovon die zahlreichen anderen Güterwagen künden.
Am Ausfahrsignal von Gleis 2 (damals noch Formsignale) in Richtung
Rheinbrücke und Hauptbahnhof steht abfahrbereit ein
Eilzug (vermutlich aus Offenburg), gezogen von der damals
allgegenwärtigen V200.
Die Elektrifizierung der Schwarzwaldbahn wird erst in einigen Jahren Konstanz erreichen. Am Ende des Bahnhofs ist noch der Schrankenposten an der Jahnstrasse zu sehen.
Auch dieser ist längst Geschichte, denn das in 1980ern gebaute Stellwerk am Hauptbahnhof machte gleich drei mechanische Stellwerke und diverse manuell bediente Schrankenposten auf einen Schlag überflüssig.
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