++++ 2021-02-12 ++++
Es ist Winter...
Derzeit haben wir in Mitteleuropa
und speziell in Teilen Deutschlands endlich wieder einen Winter der diesen Namen auch verdient.
In den ausgehenden 1960ern, also vor über einem halben
Jahrhundert, bewarb die Deutsche Bundesbahn die Wetterfestigkeit der Bahn aktiv
noch mit Plakatwerbung und Fernsehspots ("Alle reden vom Wetter - wir nicht").
Sogar die damals neue Baureihe 103 war in den frühen 1970ern in die Winterwerbespots der Bahn
eingebunden wie
hier auf
Youtube.
Über 50 Jahre später sieht es heute bei der Deutschen Bahn, besser gesagt bei ihrer Tochter DB Netze, welche auch für
den Unterhalt und damit auch für das Freihalten der Strecken verantwortlich ist, ganz anders aus.
Wie in einem Brennglas zeigen sich dieser Tage speziell in Thüringen die strukturellen Probleme einer auf Gewinnmaximierung getrimmten DB-Tochter.
Am Donnerstag, den 11.02.2021 am Tag 6 nach dem Wintereinbruch und
am Tag 4 nach der letzten Schneeflocke sind alle Autobahnen und Strassen bis
fast zur allerletzten Kategorie hinunter längst geräumt. Bei der
Bahn ist auch nach Tagen ein Grossteil der Schienenwege und Bahnhöfe
in der Region immer noch gesperrt, überall stehen noch verlassene
"Geisterzüge" oder einige, wenige Dienstleister machen sich im
riesigen Nirgendwo tapfer an die Freischaufelung von vereinzelten
Weichen.
Der Verkehr rollt auf den
Autobahnen und Strassen fast völlig normal, beim eigentlich
wesentlich robusteren und winterfesteren Verkehrsmittel Eisenbahn
rollt dagegen nur ein Bruchteil.
Es ist die völlige Blamage und Offenbarung, was sich DB Netze hier
erneut wieder leistet.
Das Netz in Deutschland ist zu einem Schönwetternetz verkommen, weil
es eben nur unter Normalbedingungen gerade so eben funktioniert. In
Stresssituationen wie bei den immer häufiger auftretenden Stürmen
oder bei Wintereinbrüchen zeigt sich die gewinnorientiert
aufgestellte DB Netze organisatorisch, personell
und von den bereitstehenden Gerätschaften (z.B. Schneefräsen) immer
wieder aufs Neue völlig überfordert und es dauert vieleTage um in
die Nähe von Normalität zurückzukehren.
Kritik kommt von allen Seiten. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen
(NEE), ein Verband, der private Güterbahnen vertritt, spricht in
einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vom
„organisatorischen Versagen“ bei DB Netze.
Auch sonst macht die DB Netze gegenüber den Güterbahnen offenbar
einen wenig überzeugenden Eindruck, wie die Wirtschaftswoche
aktuell berichtet. Es seien „viel zu wenig Kräfte zum Weichenfreifegen“ vor
Ort gewesen, heisst es etwa bei einer Güterbahn in Leipzig. Dort sei
es sogar vorgekommen, dass Räumtrupps herbeigeholt wurden, „aber
niemand hat einen Besen“. Vor allem in der Netzregion Südost seien
„Brenner und anderes Gerät nur ungenügend vorhanden“ gewesen.
Überhaupt kapituliert man mittlerweile bei solchen Ereignissen
vorauseilend bereits im Vorfeld und stellt bei der Deutschen Bahn den Betrieb auch weitab der Problemregionen einfach ein, wie
beispielsweise beim Sturm Sabine vor Jahresfrist.
Insbesondere der Geschäfsbereich Fernverkehr folgt dieser Strategie und signalisiert
damit seine Entbehrlichkeit.
Zugegeben, bei einer hochtechnisierten Bahn ist der Winterbetrieb gegenüber früher schwieriger geworden.
Da ist das Rollmaterial, welches vollgestoft mit allerlei elektronischen Komponenten empfindlicher als die alten Stufenschalterloks reagiert.
Oder es stehen zunehmend Lärmschutzwände an den Strecken wo mit dem
Pflug der Schnee nicht einfach zur Seite weggedrückt werden kann.
Und selbst der Schneefräseneinsatz ist in dichtbesiedelten Regionen
nicht ganz ungefährlich.
Die NEE meint dazu:
„Danke an alle Einsatzkräfte, nicht aber ans Top-Management.“ Die
Einsatzkapazitäten reichten nicht. „Deutschland braucht
Einsatzpläne, Personal und Technik, wie sie in der Schweiz, Schweden
oder Russland existieren !"
Es gibt, so berichtet die Wirtschaftswoche in diesem Zusammenhang, zahlreiche Beschwerden
gegenüber der DB Netze. So seien etwa „diverse Weichenheizungen
ausser Betrieb“ gewesen, heisst es bei einer Güterbahn, konkret in den
Güterbahnhöfen in Fulda und Göttingen. An verschiedenen Stellen
seien ausserdem „die Weichenheizungen abgeklemmt“ worden.
Der Fahrgastverband "Pro Bahn" hatte am Mittwoch das Schneemanagement der Deutschen Bahn
ebenfalls scharf kritisiert.
Das sei einfach nur ein Trauerspiel, sagte der Ehrenvorsitzende des Thüringer Landesverbandes, Bernd Schlosser
dem MDR Thüringen.
Dass die für mehrere Milliarden Euro neu gebaute Schnellstrecke Erfurt-Leipzig tagelang nicht befahren werden könne, dafür habe er kein Verständnis.
Sogar die regionale Politik interveniert: Es spricht Bände, wenn der
sächsische Ministerpräsident Kretschmann den DB-Vorstandsvorsitzenden anrufen
muss und per Twitter öffentlichen Druck aufbaut, damit die Deutsche
Bahn endlich mit der Räumung der ICE-Strecke Erfurt - Leipzig
beginnt und Leipzig im Fernverkehr wieder angebunden werden kann.
Auf Eisenbahnstrecken bei Pulverschnee den Betrieb einzustellen,
diese einschneien zu lassen und tagelang nicht zu räumen, ist keine
Strategie, sondern die Kapitulation vor dem Winter.Weichenheizungen und andere Vorsorgemassnahmen kosten Geld und würden den
Gewinn der DB Netze in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro jährlich schmälern.
Geld das übrigens von allen Netzbenutzern in Form von (vorsicht
Wortungetüm) Trassennutzungsentgelten
bezahlt wird.
Dafür erhalten diese in vorhersehbaren und beherrschbaren Situationen
wie dieser, eine Schlecht- oder Nichtleistung die ihresgleichen
sucht.
Es ist ein eklatanter und bis heute nicht behobener
Konstruktionsfehler der Bahnreform in Deutschland, dass die für den
Unterhalt zuständige DB Netze Gewinne erzielen darf und diese
innerhalb des DB Konzerns verschieben kann.
DB Netze hat sich innerhalb des DB Konzerns in den letzten Jahren zu einer
"Gelddruckmaschine" entwickelt.
Die Betriebsleistung auf dem Netz stagniert, aber die
Einnahmen steigen kontinuierlich.
Es wird, salopp gesagt,
immer mehr Geld aus den Schienennutzern
herausgepresst ohne dass diese eine Mehrleistung erhalten. Das
Gegenteil ist der Fall, wie aktuell in vielen Teilen Deutschlands zu sehen ist.
Das
aus dem Netz herausgepresste und weggesparte Geld wird
als Gewinn in die DB
Konzernzentrale verschoben.

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Mit welch gigantisch hohem Personaleinsatz in früheren Jahren
bei der damals noch systemrelevanten Deutschen Bundesbahn dem Winter
zu Leibe gerückt
wurde, kann man sich heute nicht mehr vorstellen.
Nur alte Bundesbahn- Lehrfilme künden noch von einer längst
untergegangenen Zeit.
Heute sind solche Dienste in der Regel "outgesourct" und werden vom
billigsten
Bieter extern eingekauft.
Entsprechend lange dauert es im Bedarfsfall und entsprechend hoch ist
auch die Motivation der Hilfskohorten.
Ganz rührend der Einsatz des Ministerpräsidenten Sachsens beim DB-Vorstand
Lutz. Wenn die DB Netze davon spricht, dass sie nicht wissen wo sie anfangen sollen, dann gibt es zwei
Ursachen:
1) entweder es kam so viel vom Himmel, dass das Land darin ertrank, oder
2) man ist mit dem was kam heillos überfordert
Am viel zu kurzen Hemd der DB Netze wird sich durch solche Anrufe auf
Polit- und Management- Ebene ohnehin nichts ändern. Und je nachdem wo man am
zu kurzen Hemd zieht, ist man dann eben an anderer Stelle blank.

Erst nach Tagen kam es zu einem Einsatz einer Schneefräse auf
der Schnellfahrstrecke Erfurt - Leipzig.
Die Bilder aus der Luft im Bericht des MDR zeigen alles
andere als eine Schneekatastrophe. Allerdings gibt es auch einzelne Stellen
mit Schneeverwehungen an denen es eine Schneefräse dann wirklich
braucht. Seit Freitagmorgen (12.2.2021) ist die Strecke wieder
befahrbar. Bild: MDR
Während die parallel verlaufende Autobahn bis auf den letzten Krümel geräumt ist und der Verkehr
dort seit Tagen längst wieder rollt, ist die daneben liegende
Schnellfahrstrecke Erfurt-Leipzig immer noch nicht freigegeben.
Bild: MDR
Die "Privaten" Bahnunternehmen können und wollen, wie hier ERIXX, nur DB Netze versagt auch am Tag
5 nach der letzten Schneeflocke. Der letzte Satz der ERIXX- Mitteilung sagt alles.
Der Geschäftsbericht (links) aus dem Jahr 2018 von DB Netze ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.
In 2019 stieg der Gewinn von DB Netze allein aus dem Fahrweg auf über 800 Millionen
Euro.
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